top of page

VOM FESTHALTEN DER ZEIT - INTERVIEW MIT SABRINA ROTHE

  • design-natuerlich
  • 10. Nov.
  • 8 Min. Lesezeit
GÄRTEN - Vom Festhalten der Zeit




Gärten sind nicht nur Orte des Wachsens – sie erzählen Geschichten. Von Menschen, von Jahreszeiten, von Übergängen.


Die Fotografin Sabrina Rothe hat diesen Blick für das Leise, das Vergängliche, das Besondere. In ihrem neuen Buch GÄRTEN- Vom Festhalten der Zeit porträtiert sie besondere Gärten. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit gesprochen.




Sabrina Rothe

Sabrina Rothe studierte Fotografie und Editorial Design an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Sie absolvierte ihr Studium mit Auszeichnung und arbeitet seitdem als Fotografin. Sie erzählt Geschichten mit Licht, konzipiert Bücher, fotografiert für namhafte Zeitschriften im Wohn- Reise- und Gartenbereich in ganz Europa sowie für Corporatekunden und Kunstinstitute. Ihre Expertise gibt sie unter anderem als Dozentin weiter und inszeniert mit

ihrem besonderen Blick für Natur, Atmosphäre und Form eigene Ausstellungen.




Ihr Stil ist grafisch klar und durch die besondere Lichtgestaltung atmosphärisch dicht. Vorbilder und Inspiration für ihre Arbeit findet sie in der Malerei und in Filmen.




Sabrina, dein Buch "Vom Festhalten der Zeit“ ist ein sehr persönliches Projekt. Was war der Auslöser, diese besonderen Gärten fotografisch festzuhalten?


In der Zeit von Corona habe ich mir intensive Gedanken über mich und meine eigene Arbeit gemacht, wo soll der Weg hingehen, was sind meine nächsten Projekte und was möchte ich gerne noch realisieren?


Ich habe wenige Artikel gefunden die sich spezifisch mit der Gartenfotografie auseinandersetzten, das hat mich interessiert, was unterscheidet die fotografische Arbeit im Garten mit z. Bsp. Fotografien im Innenraum oder der klassischen Architekturfotografie.


In der Gartenfotografie arbeitet man mit lebenden Objekten und ist immer dem Wetter ausgesetzt. Eine Arbeit für die man sehr viel Flexibilität und Spontanität mitbringen muß und auch bereit ist damit zu arbeiten. Es ist eine Kunst aus dem ganzen Pflanzengewusel ein ruhiges stilles Bild lösen, und das ist oft schwieriger als man denkt. Ich fotografiere viel für die Gartenrubrik von Design- und Architekturmagazinen, eine Arbeit die mir sehr viel Freude macht und eine große Freiheit in der Gestaltung meiner Bilder mit sich bringt. Ich genieße hier ein großes Vertrauen bei den leitenden RedakteurInnen und Art-DirektorInnen für die ich arbeite, das schätze ich sehr und das motiviert mich. Ich wollte gerne diese Arbeit noch intensivieren, mich mit der Arbeit eines „Gartenfotografen“ auseinandersetzten und dies konzeptionell in einem Buch zusammenfassen. Zu dieser Zeit hatte ich aber auch eine kleine Sinnkrise und in einem schönen Garten im Tessin, den ich in den letzten Zügen der Coronawirren fotografiert habe, hatte ich auf einmal das Gefühl, das ist sinnvoll, diesen wunderbaren Garten in schönen und atmosphärischen Bildern zu erzählen. In diesem Moment wurde mir die Vergänglichkeit und der schnelle Wandel von und in Gärten bewußt und die große Kunst der Fotografie diesen Moment in einem schöne Bild festzuhalten.


Menschen die mit dem Garten arbeiten, seien es Landschaftsarchitekten, Gartengestalter oder passionierte Gartenliebhaber, sind für mich ganz besondere Künstler. Sie benötigen viel Erfahrung auf ihrem Gebiet, müssen mit der Unberechenbarkeit der Natur arbeiten und immer den Weitblick der Jahreszeiten und der Jahre im Kopf haben, um besondere Blumen, Pflanzen und Bäume in einem begrenzten Außenraum schön zu kombinieren.


Ein Buch kam mir für dieses „Festhalten“ sinnvoll vor. Ein Buch hat, im besten Falle, eine lange Dauer, braucht ein klares Konzept und muß eine gute Geschichte erzählen um dem Betrachter sowie Leser Kontemplation und Freude in ruhigen Stunden zu geben. Ein Buch nimmt man immer wieder zur Hand und es hat etwas zeitloses. Bei den ausgewählten Gärten habe ich mir vorgenommen, dass die Fotografien nicht nur in der Geschichte funktionieren sondern auch als Einzelbilder tragen, so das eine Ausstellung möglich ist. Das ich sie so komponiere das man einzelne Fotos aus den Gärten herausnehmen kann und sie als Bild an die Wand hängen kann. Hier hoffe ich, das mir das gelungen ist, es war eine große Herausforderung für mich. Man muß sich im Moment des Fotografierens ganz anders in die Motive versenken und viel ruhiger und konzentrierter arbeiten. Auch Freunde wollten gerne Fotografien von mir haben und ich habe gemerkt, das die Fotos die ich sonst mache, das oft nicht tragen, das sie im Magazinkontext aber nicht als als solitäre Bilder an der Wand funktionieren.


Die Texte im Buch sind mir als Erweiterung und Bereicherung für die Bilder sehr wichtig. Es gibt einen tollen Einführungstext in das tragende Thema von Antje Peters-Reimann und einen kleinen Text von mir über meine Arbeit und die Verbindung zum Garten. Zu den einzelnen Gärten habe ich GartenjournalistInnen und AutorInnen die ich sehr schätze und die in diesem Bereich arbeiten, gefragt ob sie die ausgewählten Gärten und GartengestalterInnen in kurzen Texten beschreiben.




Du schreibst, dass Gärten "immer im Wandel“ sind. Warum ist es dir wichtig, gerade diese Vergänglichkeit in Bildern festzuhalten?


Eine besondere Gartenanlage verschwindet, wenn man sich nicht intensiv um sie kümmert und auch tolle Pflanzungen und Farb- sowie Blattkombinationen können sich schnell wandeln, wenn man sie nicht pflegt und hegt. Hier ist die Fotografie das ideale Instrument für die Momentaufnahme, für das Festhalten der Zeit der atmosphärischen Stimmung und des außergewöhnlichen Gartens. Auch ist die Gestaltung von Gärten oft sehr intensiv mit den Personen verbunden die sich um sie kümmern und die so eine ganz eigene unverwechselbare Handschrift haben, die nicht einfach austauschbar ist.






Deine Liebe zu Pflanzen und Gärten wurde dir quasi in die Wiege gelegt. Inwiefern haben deine Eltern und Großeltern deine heutige Sichtweise geprägt?


Mein Vater, meine Mutter und meine Großmutter mütterlicherseits hatten immer ein großes Herz für die Natur und den Garten. An unser Haus grenzte ein kleiner Hinterhofgarten mit bunten Bauerngartenblumen, Trauben und Äpfeln den meine Mutter liebevoll gepflegt hat. Da bin ich ihr oft und gern zur Hand gegangen. Wir hatten immer frische schöne Blumensträuße im ganzen Haus, am liebsten wild von der Wiese oder im Winter natürlich aus dem Blumenladen.


Ich habe auch mal darüber nachgedacht Floristin zu werden, aber da muß man fast jeden Tag irrsinnig früh aufstehen, das war dann doch nichts für mich. Auch hatten wir, bis ich 16 war, eine sehr einfache alte Holzhütte in den österreichischen Bergen, nur mit kaltem Wasser und ohne Strom. Hier haben wir oft unsere Sommer verbracht, in den wundervollsten Bergwiesen mit Arnika, Schmetterlingen und leuchtendgrünen Grashüpfern, das habe ich wahnsinnig geliebt, dieses echte und ursprüngliche!! In meiner Jugend war ich so ein bischen ein Ökohippi, das „Leben auf dem Lande“ von John Seymour war meine Bibel und ich habe Tees nach Maria Treben gesammelt.




Viele deiner Fotos entstehen in den frühen Morgenstunden. Was macht für dich das besondere„"Fotografen-Licht“ aus?


Ich versuche immer in jedem Garten in den frühen Morgenstunden zum Sonnenaufgang und in den späten Abendstuden zu fotografieren. Das hat auch mit der Lichtrichtung zu tun, deswegen ist der späte Abend genauso wichtig. Da ist das Licht am schönsten da es weich ist, den Gartenraum plastisch modelliert und trotzdem alles schön klar leuchtet. Die Atmosphäre im Garten ist zu diesen Tageszeiten besonders intensiv. Wenn ich es geschafft habe früh aufzustehen, dann belohnt einen der Garten mit diesem besonderen Licht. Es ist alles noch frisch und rein, alle schlafen und die Vögel fangen langsam an zu zwitschern, diese Ruhe liebe ich besonders. Da fällt einem das Arbeiten leicht, allerdings muß man sehr konzentriert und schnell sein sein. Deswegen ist es auch wichtig, vorher ein klares Konzept zu haben, was man gerne fotografieren möchte.




Wie gehst du bei der Auswahl deiner Motive vor – lässt du dich vom Moment treiben oder hast du vorher eine konkrete Bildidee?


Zuerst gehe ich mit der Gartenbesitzerin oder dem Gartenbesitzer durch den Garten, oft auch mit einer JournalistIn die über den Garten dann schreiben wird. Er oder Sie erzählt uns dann wie der Garten aufgebaut und gedacht ist und was es an besonderen Pflanzungen gibt, wo das Herz des Gartens liegt.

Dann mache ich nochmal alleine einen Rundgang und konzipiere Totalen, Halbtotalen, Details und mögliche Blütenportraits. Oft mit dem Handy als Skizze. Ich mache wenige Bilder, dafür aber formal ausgewogen und überlegt. Meist fange ich am Nachmittag an und fotografiere bis zum späten Abend und am nächsten Morgen beginne ich zum Sonnenaufgang.




Neben klassischen Gartenansichten zeigst du im Buch auch Collagen aus Objekten und Pflanzen. Was möchtest du damit über die Menschen hinter den Gärten erzählen?


Ich habe schon immer gerne fotografisch mit Collagen gerabeitet und Stilleben inszeniert. Auch bin ich bin ein großer Fan von alten Gartenstichen a la Maria Sibylla Merian und den Stilleben der Goldenen Zeit der Niederländischen Malerei aus dem 17 Jhd. In den 90igern gab es ein sehr schönes Buch des Fotografen Eberhard Grames: Muschelherz und Finkenschlag. Fotografische Stilleben. Das hat mich sehr inspiriert.


Da das Buch „GÄRTEN“ eine Essenz meiner freien künstlerischen Arbeit all der Jahre mit dem Garten ist, wollte ich gerne den Moment der Collage und des Stillebens mit integrieren. Da kam mir die Idee noch eine zweite Ebene durch die Objekte über die GartenbesitzerInnen zu erzählen. Es sind Objekte die sie mit dem Garten und dem Gärtnern verbinden und auch eine Bedeutung darüber hinaus haben. Das hat mich persönlich sehr interssiert und soll die einzelnen Fotografien der Gärten bereichern und ihnen diese zweite, fotografisch gestaltete Ebene geben. Im Apendix findet man dazu eine kurze knappe Erläuterung, aber es ist auch ausreichend wenn die Objekte ohne großer Erklärung auf den Betrachter wirken und die Phantasie spielen lassen.




GÄRTEN - Vom Festhalten der Zeit



Du hast Gärten besucht, die verschwunden sind, und andere, die in Stiftungen weiterleben. Welche dieser Geschichten hat dich am meisten berührt?


Oh, da kann ich mich gar nicht festlegen. Jeder Garten ist besonders und ganz anders, da kann ich gar nichts näheres dazu sagen. Mich hat jeder Garten berührt und ich trage die Bilder davon im Kopf, vor allem da ich mich so lange mit dem Buchprojekt und somit auch den Fotografien beschäftigt habe.




Gibt es für dich so etwas wie einen Lieblingsgarten – eher wild und urwüchsig oder streng gestaltet?


Ein Lieblingsgarten von mir hätte beides. Strenge Strukturen durch Hecken oder große Steine bzw Steinmauern und wilde wiesenhafte Teile, aber immer in einer besonders schön abgestimmten Farb-und formkomposition, also nicht „zu“ wild. Und es sollte zu jeder Jahreszeit etwas blühen. Farne und Schattengärten liebe ich auch, also ein verwunschener Schattenbereich sollte auch dabei sein und ein natürlicher Schwimmpool in den ich jeden Morgen hüpfen kann, ohne Chlor, das wäre ein Traum!!!




Wenn du dein Buch in einem Satz beschreiben müsstest: Was ist die Essenz?


Die Gärten in eine andere Ebene zu transportieren und ihnen damit im Bild gerecht zu werden. Ihre Besonderheit und Atmosphäre in Fotografien festzuhalten und damit auch der Kunst der GartengestalterInnen und deren Arbeit mit den Pflanzen, gerecht zu werden.


Viele Gartenbücher, vor allem in Deutschland, haben wunderbare Titelbilder, aber Innen findet man nur ein Sammelsurium von unterschiedlichen Gartenbildern oft unterschiedlicher Gartenfotografen, das finde ich sehr schade. Eine größere Wertschätzung guter hochwertiger Gartenfotografie fände ich sehr unterstützenswert, das ist mein Appell an die Verlage. Ich glaube fest daran, das es dafür Liebhaber gibt. Auch machen nicht immer 12-20 Gärten ein Buch lesenswert…es können ruhig auch mal nur 4 sein - geht auch - besonders gestaltete Gärten tragen das!!


Mein Kultbuch ist „Country“ von Andrew Montgomery, es erzählt in sehr dichten, atmosphärischen Fotografien und in einer besonderen Farbgebung Geschichten über das englische Landleben, u.a. auch von Gärten. Der Verlag hätte nie gedacht das es so gut aufgenommen wird, ich kann mir vorstellen, das es auch aus einer privaten Leidenschaft beider Autoren entstanden ist.




Was wünschst du dir, dass die Leserinnen und Leser aus deinem Buch mitnehmen?


Das sie in die Bilder und somit die Gärten eintauchen und sich von ihnen davontragen und inspirieren lassen. Das die Texte von den Gartenjournalisten und Autoren den Horizont über die Gartenfotografie, das Gärtnern und die Leidenschaft der Gartengestalter und Gestalterinnen erweitern: "Kontemplative Gartenspaziergänge auf dem Sofa“.


Die Bilder haben keine Untertitel, so das nur das Bild wirkt und man nicht durchs lesen von Bildunterschriften gestört wird. Im Anhang ist ein Appendix mit wertvollen Infos zu den Pflanzen, der enthusiastische Gartenlaie oder auch Profi möchte dann doch auch gerne wissen, was das denn nun für eine schöne Blume, Pflanze oder Baum ist.



GÄRTEN - Vom Festhalten der Zeit


Und zum Schluss – arbeitest du schon an einem neuen Buchprojekt oder einer fotografischen Serie oder würdest du generell so ein Projekt noch mal angehen?


Gerade bin ich froh das dieses Projekt abgeschlossen ist und auch genauso aussieht wie ich es mir vorgestellt habe. Das macht mich sehr glücklich und zufrieden. Auch bekomme ich sehr viel schönes Feedback, was mich total freut, weil es dann genauso funktioniert wie ich es mir vorgestellt habe. Es soll ja nicht nur ein Buch für mich sein, sondern auch allen anderen Lesern Freude machen. Das war der Plan!!


Ich hatte bei diesem Bildband einen großen Teil eigenfinanziert und wenn ich wieder ein solches Projekt machen sollte, dann nur mit externen Mitteln und Zuschüssen, das es komplett finanziert und auch honoriert wird. Dann würde ich das sofort wieder machen. Eine tolle bereichernde Arbeit!!




Wir danken dir, Sabrina, für den offenen Einblick in deine Arbeit – und für einen besonderen Blick auf Gärten, der inspiriert und entschleunigt!

Das wunderbare Buch findet ihr hier:



Herzliche Grüße und bleibt natürlich

Petra Pelz

 
 
 

Kommentare


bottom of page