WO WILDE RHODODENDREN WURZELN SCHLAGEN – PERSPEKTIVEN FÜR UNSERE GÄRTEN
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- vor 16 Stunden
- 7 Min. Lesezeit
Teil 3 – Europa

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Ein Gastbeitrag von Gerd EitingÂ
Gerd Eiting ist ein ausgewiesener Pflanzenkenner und leidenschaftlicher Rhododendron-Experte, der seit über fünf Jahrzehnten für die renommierte Baumschule Bruns in Gristede tätig ist. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung neuer Rhododendron-Sorten, die er mit großem Fachwissen, gärtnerischer Intuition und viel Hingabe züchtet. Als engagiertes Mitglied im Beirat der Deutschen Rhododendron-Gesellschaft e. V. (DRG) setzt er sich aktiv für Erhalt, Pflege und Förderung dieser faszinierenden Pflanzengattung ein.Â
Ein zentrales Thema seiner Arbeit ist die Anpassung von Rhododendren an die Herausforderungen des Klimawandels. Gerd Eiting untersucht gezielt, welche Arten und Sorten sich durch besondere Robustheit und Standorttoleranz auszeichnen und auch unter veränderten klimatischen Bedingungen erfolgreich kultivieren lassen. Dabei bezieht er sowohl heimische Wildformen als auch widerstandsfähige Rhododendron-Arten in seine Beobachtungen und Züchtungsarbeit ein – mit dem Ziel, klimaresiliente Sorten für zukunftsfähige Gärten zu schaffen.Â
Nachdem wir in den letzten Beiträgen die nordamerikanischen und asiatischen Wildarten vorgestellt haben, widmen wir uns diesmal den heimischen Vertretern Europas. Sie sind seltener und oft weniger spektakulär in der Blüte, aber sie tragen wichtige Eigenschaften in sich – besonders in Bezug auf Härte, Standorttoleranz und Bodenansprüche.Â
Wildarten mit Geschichte – die Rhododendren EuropasÂ
Die europäischen Rhododendron-Arten stehen häufig im Schatten ihrer auffälligeren Verwandten aus Asien und Nordamerika. Dabei haben gerade sie viel zu bieten – vor allem, wenn es um Standorttoleranz, Winterhärte und Robustheit geht.Â
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Diese ursprünglichen Wildarten haben sich über Jahrtausende an schwierige Bedingungen angepasst: an extreme Höhenlagen, steinige Untergründe, kalkreiche Böden und wechselhafte Klimazonen. Ihre natürliche Widerstandskraft macht sie zu wertvollen genetischen Ressourcen – insbesondere für die Entwicklung pflegeleichter, klimaresilienter Rhododendron-Sorten.Â
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Manche Arten sind in den Alpen, den Pyrenäen oder im Kaukasus heimisch, andere wachsen an den Küsten Südeuropas oder in den Bergwäldern der Türkei. Ihre Lebensräume reichen von subalpinen Matten und Kalkgeröll bis hin zu immergrünen Laubwäldern und Nebelzonen am Schwarzen Meer.Â
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Einige Arten haben eine außergewöhnliche botanische Geschichte – wie Rhododendron ponticum, der von britischen Gutsbesitzern in die Landschaftsgärten eingeführt wurde deren duftende Blüten einst in der Mythologie als „Honig des Vergessens“ galten.Â
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Für Gärtnerinnen und Gärtner in Mitteleuropa, die robuste, pflegeleichte Rhododendren für schwierige Standorte suchen – zum Beispiel für kalkhaltige Böden, alpine Regionen oder trockene Hanglagen – bieten diese heimischen und südeuropäischen Wildformen erstaunliche Perspektiven.Â
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In diesem Beitrag stellen wir euch die wichtigsten Rhododendron-Arten Europas vor – mit Informationen zu Herkunft, Wuchsform, Blüte, Standortansprüchen und ihrem Potenzial für moderne Gärten.Â
Rhododendron lapponicumÂ
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Rhododendron lapponicum ist in den subarktischen Regionen Grönlands, Islands, Nordskandinaviens und Nordrusslands zu Hause. Dort wächst der Zwergstrauch bis über der Baumgrenze – auf kargen, silikatischen Böden, wo der Sommer kaum länger als ein paar Wochen dauert. Es herrschen extreme Bedingungen: frostige Nächte auch im Juli, plötzliche Wetterumschwünge und intensive Sonneneinstrahlung.Â
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Die Pflanze bleibt mit 10 bis maximal 30 cm Höhe äußerst kompakt, bildet aber dichte, verzweigte Polster mit kleinen, festen, dunkelgrünen Blättern. Ihre purpurvioletten bis rötlich-lila Blüten erscheinen früh im Jahr – eine leuchtende Miniaturblüte inmitten der kargen Tundra.Â
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Rhododendron lapponicum ist aufgrund seiner hochspezialisierten Ansprüche kaum für mitteleuropäische Gartenverhältnisse geeignet. Doch als Symbol für botanische Anpassungskraft ist er ein spannendes Studienobjekt.Â
Rhododendron ferrugineum & Rhododendron hirsutum – die AlpenrosenÂ
Die klassischen Alpenrosen sind in den subalpinen und alpinen Zonen der Alpen, Pyrenäen und Westkarpaten verbreitet – zwischen 1.300 und 2.300 m Höhe.Â
Rhododendron ferrugineum
Rhododendron ferrugineum ist eine der bekanntesten Alpenpflanzen – robust, kompakt und mit auffallend leuchtenden Blüten. Diese immergrüne Wildart wächst in den Hochgebirgsregionen der Alpen, Pyrenäen und Westkarpaten und besiedelt dort saure, silikatische Böden auf Gneis oder Granit – in Höhenlagen zwischen 1.300 und 2.300 Metern.Â
Von Juni bis Juli entfaltet sie ihre karminroten Blüten in dichten Dolden – ein spektakulärer Anblick, der viele alpine Hänge prägt. Charakteristisch ist die rostrote, filzige Behaarung auf der Blattunterseite, die der Art ihren Namen ferrugineum („rostfarben“) verleiht.Â
Mit ihrem kompakten Wuchs – meist zwischen 30 und 80 cm – bildet sie dichte, flächige Bestände, oft gemeinsam mit Gräsern, Heidekraut oder Alpendost. Ihr natürlicher Lebensraum ist von kühlem Klima, hoher Luftfeuchtigkeit und guter Entwässerung geprägt.Â
Im Garten eignet sich Rhododendron ferrugineum für alpin geprägte Anlagen, Steingärten oder terrassierte Beete mit saurem, gut drainiertem Boden. Sie liebt sonnige bis halbschattige Lagen und bringt in kühleren Regionen alpine Atmosphäre in naturnahe Pflanzungen.Â
Übrigens: Einige der hier vorgestellten Rhodo-Arten und über 7500 andere Pflanzen findet ihr natürlich in der Pflanzenreich App! Probiere es einfach aus, für 24 Stunden unverbindlich und kostenfrei.
Rhododendron hirsutumÂ
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Rhododendron hirsutum, auch als „Alpenrose der Kalkalpen“ bekannt, ist eine der wenigen Rhododendron-Arten, die auf kalkhaltigem Untergrund gedeihen. Sie wächst bevorzugt auf kalkreichem Gestein in den Ostalpen und ist damit eine echte Besonderheit innerhalb der Gattung.Â
Ihre hellrosa bis beinahe weiße Blüten erscheinen im Frühsommer – meist ab Juni – und stehen in kleinen Dolden über dem Laub. Die feine Behaarung auf der Blattoberseite, die ihr den botanischen Namen hirsutum („behaart“) eingebracht hat, schützt vor Verdunstung und intensiver Sonneneinstrahlung.Â
Die Pflanze bleibt niedrig und bildet dichte, oft kriechende Bestände an offenen, steinigen Hängen. Sie ist ausgesprochen standortstabil, lichtverträglich und besonders für sonnige Alpengärten geeignet.Â
Züchterisch spielt Rhododendron hirsutum eine wichtige Rolle – unter anderem als Elternart für die bekannte Sorte Bloombux, die kalkverträglich, kompakt und schnittfreundlich ist und sich hervorragend als Hecken- oder Formgehölz eignet.Â
Im Garten ist sie ideal für Steingärten, Kalkschotterflächen oder als robuster Begleiter in alpinen Pflanzungen mit gut durchlässigem Boden und viel Licht.Â
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Rhododendron ponticumÂ
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Rhododendron ponticum ist eine immergrüne Wildart mit bewegter Geschichte. Ursprünglich beheimatet in den feuchten Gebirgsregionen der nordöstlichen Türkei, des südwestlichen Spaniens und Portugals, wurde sie im 18. Jahrhundert von britischen Gutsbesitzern nach Irland, Wales und Schottland eingeführt – als Zierpflanze und Deckung für Wild. In den milden, regenreichen Klimazonen der britischen Inseln fand sie perfekte Bedingungen vor, verwilderte schnell und breitet sich seither unkontrolliert aus. Heute gilt sie dort als invasive Art.Â
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Dennoch ist Rhododendron ponticum züchterisch von großer Bedeutung: Viele klassische Rhododendron-Hybriden – darunter besonders großblumige und robuste Sorten – basieren genetisch auf dieser Wildart.Â
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Die Pflanze ist großwüchsig, bildet dichte, bis zu mehreren Metern hohe Bestände, ist schattenverträglich und ausgesprochen widerstandsfähig gegenüber Kälte, Wind und Feuchtigkeit. Ideal ist ein Standort mit saurem, humosem Boden und hoher Luftfeuchtigkeit. Es sollte jedoch unbedingt ihre starke Ausbreitungsfreude beachtet werden!
Rhododendron caucasicumÂ
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Rhododendron caucasicum ist in den hochalpinen Regionen des westlichen Kaukasus verbreitet. In Höhenlagen über 2.000 Metern wächst er dort, wo andere Pflanzen längst kapitulieren – in klarer Gebirgsluft, unter strahlender Sonne, bei eisigem Wind und kargen, sauren Böden.
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Der Strauch bleibt bodennah und breitet sich dort flach aus – wie ein schützender Teppich über dem Geröll. Im späten Frühjahr öffnet er seine zarten, hellgelben bis cremeweißen Blüten, die wie kleine Lichtreflexe über den Hang verstreut wirken – dezent, aber wirkungsvoll.Â
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Im Gegensatz zu vielen Rhododendron-Arten, die schattige Waldränder bevorzugen, liebt Rhododendron caucasicum das Licht: offene, kühle Standorte mit gleichmäßiger Feuchtigkeit und humusreichen, gut drainierten Böden sind ideal.
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In der Rhododendronzucht ist er ein genetischer Schatz. Seine Robustheit, Winterhärte und Standorttoleranz machen ihn zu einem wichtigen Elternteil vieler bewährter Sorten – wie zum Beispiel der bekannten und zuverlässigen Sorte Cunningham’s White.Â
Azalea ponticaÂ
Azalea pontica ist eine alte, fast vergessene Wildart mit überraschend viel Potenzial für moderne Gärten. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet reicht von den Laubwäldern Südwestpolens über die Karpaten bis in die feuchten Täler des Kaukasus und die nordöstliche Türkei. In diesen Regionen wächst sie als sommergrüner Strauch, gut 1,5 bis 2 Meter hoch, locker verzweigt und erstaunlich anpassungsfähig.Â
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Im Mai und Juni öffnet sie ihre goldgelben bis orangen Blüten, die nicht nur farblich auffallen, sondern mit einem intensiven, süß-würzigen Duft betören – ein Duft, der in alten Mythen als „verführerisch und gefährlich“ galt. Die Blüten erscheinen meist vor dem Laubaustrieb.Â
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Was Azalea pontica so besonders macht, ist ihre Standorttoleranz: Sie gedeiht auf leicht sauren bis schwach lehmige Böden, kommt mit Sonne ebenso zurecht wie mit lichten Schattenlagen und ist insgesamt robuster als viele zierlichere Azaleenarten.Â
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Wer naturnahe Pflanzungen liebt – mit Wildcharakter, Duft und lebendigem Farbspiel – findet in dieser Art eine überraschend vielseitige Partnerin. Besonders schön wirkt sie am Waldrand, in humosen Gehölzsäumen oder in Kombination mit Farnen, Gräsern und Wildrosen.
Rhododendron smirnowii & Rhododendron ungernii – Kraftpakete aus dem KaukasusÂ
Rhododendron smirnowiiÂ
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Rhododendron smirnowii ist eine eindrucksvolle Wildart aus den westlichen Gebirgen Georgiens – dort wächst sie in Höhenlagen zwischen 1.000 und 2.000 Metern an lichten Waldhängen und offenen, felsdurchsetzten Flächen. Ihre großen, festledrigen Blätter haben dicht weißfilzig behaarte Unterseiten.
Ab Mai bis Juni erscheinen ihre violett- bis rosafarbenen Blüten in aufrechten Dolden. In ihrer Heimat ist sie an kalte Winter, starke Winde und gelegentliche Trockenperioden angepasst.Â
Züchterisch ist Rhododendron smirnowii ein echter Stabilitätsfaktor. Ihre Gene finden sich in zahlreichen modernen Gartensorten wieder. Im Garten zeigt sich diese Art zuverlässig und pflegeleicht – ideal für halbschattige, geschützte Standorte mit humosem, saurem Boden.
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Rhododendron ungerniiÂ

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Rhododendron ungernii ist eine faszinierende, bislang wenig verbreitete Wildart aus dem östlichen Kaukasus. Die cremefarbenen bis zartgelben Blüten erscheinen im späten Frühjahr in lockeren Dolden und verleihen eine elegante Ausstrahlung. Ihr Laub ist groß, dunkelgrün und wirkt beinahe exotisch.Â
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Rhododendron ungernii bevorzugt halbschattige Lagen mit gleichmäßig feuchten, sauren und gut durchlässigen Böden. Aufgrund ihres kräftigen Wuchses eignet sie sich weniger für kleine Gärten, dafür umso besser für großzügige Anlagen oder Parkbereiche, in denen sie ihren Charakter voll entfalten kann.Â
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Die Standortfaktoren auf einen BlickÂ
Art | pH-Toleranz | Lichtbedarf | Besonderheit |
Rhododendron hirsutum | bis pH 7 (Kalk) | Sonne/Halbschatten | Kalkverträglichkeit, Zwergform |
Rhododendron ferrugineum | sauer | Sonne/Halbschatten | Alpenpflanze, leuchtende Blüten |
Rhododendron ponticum | sauer | Halbschatten | Geschichte in GB, starkwüchsig |
Rhododendron caucasicum | sauer | Sonne | Hochgebirgsform, extrem winterhart |
Azalea pontica | leicht sauer | Sonne/Halbschatten | duftend, leuchtend gelb, pflegeleicht |
Rhododendron smirnowii | sauer | Halbschatten | robust, züchterisch wichtig |
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Fazit – Was Europas Rhododendren uns lehren
Europas wilde Rhododendron-Arten gehören vielleicht nicht zu den lautesten Vertretern ihrer Gattung. Sie überzeugen durch Winterhärte, Standorttoleranz und eine jahrtausendealte Anpassung an raue Klimabedingungen.Â
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Gerade in Zeiten des Klimawandels, in denen Gärten robuster, nachhaltiger und naturnäher gestaltet werden, gewinnen diese Wildformen an Bedeutung. Sie liefern nicht nur wertvolles genetisches Material für die Züchtung neuer, widerstandsfähiger Sorten – sie zeigen uns auch, wie Schönheit ganz ohne Exotik wirken kann.Â
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Wer sich mit ihnen beschäftigt, entdeckt Pflanzen, die viel zu erzählen haben – von Gebirgswinden, Kalkschotter und Nebelwäldern... Und vielleicht auch davon, wie sich Zukunft im Garten gestalten lässt.
Herzlichen Dank an Herrn Eiting für diesen letzten Beitrag der dreiteiligen Reihe! Wir hoffen ihr hattet Freude beim Lesen und konntet etwas Neues daraus für euch mitnehmen.
Bleibt natürlich - Â
Petra & Leonie
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