Ein Interview mit dem Rosenzüchter Thomas Proll, Züchtungsleiter bei Kordes Rosen
Thomas Proll wurde 1967 in Barmstedt (Schleswig-Holstein) unweit der Rosenschule W. KORDES‘ SÖHNE geboren, die später einmal sein Arbeitgeber werden sollte.
Der Familientradition folgend wurde er in 5. Generation Baumschulgärtner und absolvierte anschließend an der Universität Hannover das Studium der Gartenbauwissenschaften. Seine Diplomarbeit mit dem Thema „Anfälligkeit von Rosenarthybriden gegen Echten Mehltau“ führte zu ersten Kontakten zur Firma KORDES, wo er im Frühjahr 1996 seine Tätigkeit aufnahm.
Als Züchtungsleiter ist Thomas Proll nunmehr seit 1998 verantwortlich für die Entwicklung neuer Gartenrosen.
Die Zielsetzung in der Züchtung neuer Gartenrosen hat sich im Hause KORDES seit den späten 1980er Jahren dramatisch verändert – um einem gestiegenem ökologischen Bewusstsein der Rosenkunden zu begegnen, wurde die Entwicklung gesünderer Rosen immer wichtiger und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Blattkrankheiten wurde wichtigstes Züchtungsziel.
Seit inzwischen über 25 Jahren hat die Firma W. KORDES‘ SÖHNE aufgrund dieser Züchtungen weltweit zahlreiche Erfolge in Rosenwettbewerben erzielen können.
Herr Proll wie beginnen Sie, wenn sie eine neue Rosensorte züchten wollen?
Thomas Proll: Ideen sammelt man eigentlich immer und ständig. Als Rosenzüchter betrachte ich irgendwie jede Rose, die mir begegnet als potentiellen Kreuzungspartner. Das kann auf Reisen sein, aber auch auf dem eigenen Testfeld. Da stehen ja tausende von Sorten. Wenn mir im Sommer beim Bewerten welche mit guten, interessanten Eigenschaften ins Auge stechen, denke ich immer wieder: Ach, mit der könnte man auch mal arbeiten…was da wohl rauskommt, wenn man die mit XY kombiniert…?
Der eigentliche Kreuzungsplan entsteht aber ganz strategisch am grünen Tisch. Als Mensch habe ich eine Idee, wie eine neue Rose aussehen soll. Dazu will ich Eigenschaften von zwei bestimmten Rosen mit bestimmten Vorzügen vereinen.
Das können äußere Merkmale sein, wie das Aussehen aber auch die innere Qualität wie die Krankheitsresistenzen. Also ich denke mir aus, dass Rose A und Rose B Kinder kriegen sollen.
Nur weil man zwei tolle schöne Eltern hat, kommen nicht immer tolle Kinder raus.
Jetzt im Mai/Juni bestäuben wir diese Rosen. Dann kommen Rosenkinder raus aus dieser ganzen Bestäubungsgeschichte. Und die große Frage ist, schenkt einem Mutter Natur wirklich das, was man sich ausgedacht hat. Und das ist manchmal der Fall, häufig jedoch auch nicht.
Und hier sieht man das die ersten schon schwanger sind?
Thomas Proll: Ja, wir haben ja jetzt schon Anfang Juni, und wir haben vor einem Monat begonnen. Und der Blütenboden, den kann man hier erkennen, er schwillt mit der Zeit an. Dann bildet er da die Frucht der Rose, die Hagebutte. Und bei einigen kann man hier erkennen, dass das gut gelungen ist. Die sind auf alle Fälle schwanger. Hier sieht man, dass die Kerne regelrecht oben rauskommen. Diese sind in aller Regel hohl, die würden, wenn man sie in Wasser tuen würden oben schwimmen, die würde man nicht nehmen. Aber die ganzen Kappen, die Hagebutten hier sind voller Samen. Und das sind ja alles Geschwister. Sie sind alle verschieden. Jedes einzelne Saatkorn bringt ja wieder eine individuelle Pflanze, die sich genetisch unterscheidet von allen anderen.
Aber nicht jede Kreuzung gelingt. Deshalb müssen wir ein paar mehr machen.
Ich vergleiche es gern immer mal mit Lottospielen, Wenn man nur ein Los kauft, ist die Chance gering, dass man sechs Richtige hat. Kauft man sich zehn Lose, hundert Lose, tausend Lose… das ist dann zwar teurer aber die Chance steigt dann, dass man die sechs Richtigen hat.
Das ist das, was wir in unserer großen Firma in der Züchtung machen. Ich tue aber auch nichts anderes als das, was ein kleiner Hobbyzüchter von der Technik auch macht. Aber durch die Menge, ist eben unsere Chance größer eine ganz tolle und außergewöhnliche Rose zu züchten. Den Sechser im Lotto eben.
Fotos oben: Die zweihäusige Rose hat männliche und weibliche Geschlechtsteile. Damit sie sich nicht selbst bestäubt, wird die Blüte entblättert und die männlichen äußeren Teile entfernt. Das muss frühzeitig passieren, am besten ganz früh am Morgen. So lässt sich verhindern, dass die Rose sich nach dem Öffnen selbst befruchtet. Die weiblichen Teile können nun mit dem Samen einer anderer Sorten bestäubt werden.
Und was passiert dann? Wird das ausgesät?
Thomas Proll: Ja, im Oktober, November, Dezember ernten wir diese Hagebutten. Die sind dann reif geworden. Einige sind knallrot, andere orange und grün, einige sind länglich oval, andere rund, andere birnenförmig. Das kann im Garten auch ganz hübsch sein, aber bei uns geht es in erster Linie darum, was da drin ist – also die Ergebnisse für die Züchtung.
Die Früchte werden dann nach Kreuzungen sortiert, geöffnet, sauber gerubbelt und dann werden sie ausgesät. Das noch vor Weihnachten, denn wir sehen zu, dass wir sie rechtzeitig in der Erde haben. Sie kommen dann in Saatbeete und bekommen dort bei niedrigen aber frostfreien Temperaturen ihre Stratifikation. Dann keimt im Frühjahr ein hoffentlich hoher Prozentsatz, der bei den Gartenrosen in der Regel um 80-90 Prozent liegt.
Wir können mal ein Gewächshaus weitergehen…
Was sieht man hier in den Glasschalen?
Thomas Proll: Das ist der getrocknete Pollen. Wenn wir ihn abernten, trocknen wir ihn über Nacht. Der gesammelte, trockene Pollen lagert ansonsten hier im Kühlschrank. Und steht dann bereit, um andere Rosen zu bestäuben. Und wenn man das getrocknete Material schüttelt im Glas, dann kann man sehen, dass hier so eine richtig dicke Schicht Pollen drin ist.
Mit dem Blütenstaub wird dann die Bestäubung gemacht. Das ist alles Handarbeit und muss mit großer Sorgfalt vonstattengehen. Das ist in so einem großen Züchtungsbetrieb Routine und seit 100 Jahren unserer Kerngeschäft. Wir haben immer im Fokus, noch bessere und gesündere Sorten zu züchten.
Nach dem Bestäuben wird ein nummeriertes Klebeetikett um den Blütenhals gelegt. Damit der Züchter weiß wer der Vater ist, also von welcher Pflanze der Blüten Pollen gekommen ist. In diesem Fall hier die Sorte 409 und da weiß ich eben welche Sorte sich dahinter verbirgt. Und dann werden die letzten beiden Blütenblätter abgepflückt. Die waren nur als Zeichen für das Team, welche Rosen noch bestäubt werden müssen.
Mal eine klischeehafte Frage Herr Proll… Haben sie eigentlich eine Lieblingsrose?
Thomas Proll: Ha… ja, wir Züchter beantworten diese oft gestellte Frage immer mit einer Gegenfrage. Haben Sie mal eine Mutter nach ihrem Lieblingskind gefragt? Da bekommen sie nämlich auch keine Antwort…
Trotzdem ist es natürlich so, wenn man den Rosen so viel Zeit verbringt, verliebt man sich natürlich in die einzelnen Sorten und baut eine Beziehung zu ihnen auf.
Es ist ja schließlich auch die Dauer von 8-10 Jahre, bis die Rose auf dem Markt kommt. Nach etwa der Hälfte des Weges kristallisieren sich dann die ersten Highlights aus der großen Masse von Kandidaten heraus – das ist ein spannender Zeitpunkt. Die Sorten bekommen dann langsam eine Identität und, wenn sich der gute Eindruck bestätigt, irgendwann der Punkt, an dem man sich sicher ist, dass sie das Zeug für den Markt hat…ab dann freut man sich darauf, sie irgendwann präsentieren zu dürfen und fragt sich wie sie wohl auf dem Markt, bei den Kunden ankommen werden…? Bei Markteinführung sind die Neuheiten für mich als Züchter also schon „alte Bekannte“, die ich alle gut kenne – trotzdem sind einem einige schon lieber als andere. Natürlich vor allem, wenn sie dann später erfolgreich sind.
Wobei sie „erfolgreich“ in vielerlei Hinsicht sein können; das kann sein, dass gerade diese Rose beliebt beim Endkunden ist, weil sie toll von der Optik ist, das kann aber auch der Gärtnerkollege sein, der sagt; die verkauft sich wie geschnitten Brot. Das sie also wirklich als Produkt gut funktioniert.
Wenn ich so überlege, habe ich doch schon so eigene Vorlieben…muss diese aber für den Job unterdrücken.
Ich glaube man tendiert mit der Zeit dazu, dass das „Normale“ irgendwann langweilig ist. Ich finde stinknormale Rosen sind nicht so meins. Ich persönlich gehe da eher in die Extreme und finde lavendel- und fliederfarbene oder gestreifte Sorten spannend.
Aber ich muss mir dann selbst immer sagen; übertreibe es nicht. Der Markt ist klein, für solche speziellen Eigenschaften. Es sind Nischen. Es ist immer noch so, dass die normale rote Rose als Zeichen der Liebe (auch wenn es total abgedroschenes Klischee ist) am Markt ein Riesen Produkt ist. Ich muss mich beherrschen und das auch bearbeiten. Denn wenn man für Kordes arbeitet, dann ist man nicht Indie, sondern Mainstream. Und dann muss man für den Massenmarkt arbeiten. Das muss man bedienen.
Ich habe beispielsweise angefangen, mit Persica-Rosen zu kreuzen - einfach, weil ich Bock drauf hatte.
Daraus entstand dann unsere SEE YOU-Kollektion, die bei den Kunden wirklich gut ankommt. Das neue, große Ding, wie besonders einige englische Züchterkollegen gehofft haben, wird es wohl aber doch nicht werden…dazu sind sie eben doch zu speziell…eben nicht genug „typisch Rose“.
Das dunkle Auge in den Persica-Hybriden ist schon was Besonderes…zudem sind sie ideal für naturnahe Gärten, was ja momentan voll im Trend liegt. Es gibt aber Spötter die sagen; Wenn ich eine Rose will, die wie ein Hibiskus aussieht, dann kann ich gleich einen Hibiskus kaufen. Ein blöder Spruch, der aber irgendwie den Kern der Sache trifft…denn die meisten Leute wollen eben doch Rosen, die typisch wie Rosen aussehen…
Foto unten: Die Persische Rose ist für naturnahe Gärten und auch zu Stauden ein toller Partner im Beet. Inzwischen gibt es die äußerst gesunde SEE YOU Serie.
Wir stehen jetzt hier vor einem riesigen Gewächshaus, bedeckt mit kleinen Rosen…
Thomas Proll: Das sind hier die Saatbeete mit den Sämlingen der Kreuzungen vom letzten Jahr. Hier habe ich während der letzten Wochen zur ersten Blüte bereits um die 90 Prozent der Sämlinge ausselektiert.
Eigentlich sind wir Rosenzüchter nämlich "ganz schlimme Menschen“!
Erst zwingen wir Rosen zum Geschlechtsverkehr und das mit Partnern die sie sich gar nicht selber ausgesucht haben, lassen sie so ganz viel Kinder machen und bringen dann einen Großteil dieser Kinder wieder um.
Hier stehen jetzt momentan noch etwa 10 Prozent des Jahrgangs. Das sieht gar nicht so aus, weil sie nach dem Rückschnitt schon wieder gewachsen sind und sich jetzt mit viel mehr Platz als vorher buschiger entwickeln können. Da werde ich jetzt noch einmal durchgehen, aber im Juli kommt dann der überwiegende Teil aus dem Gewächshaus aufs Testfeld zur weiteren Prüfung.
Viele Rosen die hier noch stehen, werden mit drei Exemplaren veredelt. Das sind 10-15.000 die jetzt noch übrig sind. Dieser Durchgang hat mal mit 200.000 begonnen. Das ist ganz schön reduziert und wir hoffen, dass dann doch 5 -10 Sorten übrig bleiben, die es dann sind, aber nach 10 Jahren!
Alle Sämlinge die wir hier sehen, sind ja genetisch verschieden, obwohl sie die gleiche Mutter und den gleichen Vater haben, weil das Erbgut ja bei jeder einzelnen Bestäubung neu gewürfelt, also immer wieder neu sortiert wurde. Und wenn mir nun ein Sämling gefällt, dann wird dieser vermehrt. Das heißt, dass ein Individuum wird multipliziert und dann wird eine Sorte draus.
Und diese Vermehrung erfolgt über Stecklinge?
Thomas Proll: Nein, die Testung und auch der weit überwiegende Anteil der Produktion wird auf Unterlagen (bei uns Rosa canina ‘Inermis‘) veredelt.
International und auch bei uns in Europa gibt es zwar Tendenzen, dass immer mehr Rosen auf eigener Wurzel (also über Stecklinge) vermehrt werden – momentan sind es aber lediglich Typen für flächige Pflanzungen im Öffentlichen Grün, die über diese Schiene produziert werden.
Treffen Sie all ihre Entscheidungen in der Züchtung alleine?
Thomas Proll: In der Anfangsphase entscheide ich das tatsächlich alleine. Später dann, kommt natürlich die Geschäftsleitung und der Verkauf dazu. Dieser Prozess ist üblich, je mehr man in Richtung Marktentscheidung geht.
Die Schritte sind hier im Einzelnen so; aus dem einen Sämling werden 3 Pflanzen, aus 3 werden 10, aus 10 werden 100 – das Ganze immer im Rhythmus von zwei Jahren auf dem ungespritzten Testfeld, damit die Blattkrankheiten sich auch in Ruhe ausbreiten können. So kommt dann die Gesamtdauer von 8-10 Jahren zusammen (also von der Bestäubung bis zur Markteinführung) bis man sich über die guten Eigenschaften einer Sorte wirklich sicher ist.
Es dauert 8 -10 Jahre bis eine Gartenrose auf den Markt kommt.
So lange dauert das eben bei den Gartenrosen, bis man sie unter allen möglichen Umweltbedingungen an möglichst vielen Orten gesehen hat und sich sicher ist, dass man die Sorte in den Gärten der Leute sehen will und sie es wert ist, das Sortiment zu ergänzen.
Bei den anderen Züchtungsprogrammen, wo die Rosen in Gewächshäusern produziert werden, geht es schneller, weil die Bedingungen ja mehr genormt sind. So rechnen wir bei den Mini-Topfrosen für Floristen und Blumeneinzelhandel mit einem Prozess von etwa 2-3 Jahren und bei den Schnittrosen mit rund 4-5 Jahren bis Selektion und Testung abgeschlossen sind.
Nach welchen Kriterien wird am Ende ausgesucht?
Thomas Proll: Das ist eine Kombi aus verschiedenen Kriterien, wie Blattgesundheit natürlich, äußere Kriterien wie Blühfreude, Farbe, Form und natürlich Duft der Blüten. Zur Gesundheit kann man allerdings jetzt am Anfang im Gewächshaus noch nicht allzu viel sagen. Wenn die Klimasteuerung gut funktioniert, hat man in der Regel kaum Mehltau. Der Sternrußtau mag das Gewächshausklima gar nicht und auch Rost sieht man hier nie.
Das alles sehe ich alles erst später draußen auf dem Feld, weil wir dort auf den Einsatz von Fungiziden komplett verzichten und so den Krankheiten die Möglichkeit geben, sich frei auszubreiten. Unter Glas guckt man vorwiegend nach der Optik, wie Blütenfüllung und Blütenaufbau, also ob sie Dolden haben ich nicht. Auch der Wuchs ist im Gewächshaus meist ausladender und viel lockerer, als später auf dem Feld. Also hier, in dieser Phase, kann ich das noch nicht richtig beurteilen.
Also auf dem Feld kann dann auch nochmal was ausscheiden, was vorher vielversprechend war?
Thomas Proll: Absolut – von den zuerst tausenden von Sorten in kleiner Stückzahl bleiben ja über die Jahre nach mehreren Selektionsschritten nur wenige Kandidaten in großer Stückzahl. Aber auch ganz kurz vor der Ziellinie kann das Schicksal eine Sorte noch ereilen! Meist bauen wir am Ende so etwa 15 Sorten in großer Stückzahl auf, die u.a. noch in eine Reihe von Internationalen Rosenwettbewerbe eingeschickt werden – in zahlreichen europäischen Ländern aber auch in Übersee. Die Ergebnisse aus solchen Prüfungen geben einem dann noch mal zusätzlichen Info zur Performance der Rosen in verschiedenen Klimaten und auch über die Reaktion des Publikums. Das kann eine wertvolle Hilfestellung sein bei der finalen Entscheidung eine Rose zu bringen oder es doch lieber sein zu lassen…
Das große Schaulaufen in Deutschland findet jedes Jahr in Baden-Baden beim dortigen Neuheiten-Wettbewerb um die „Goldene Rose“ statt.
Der bedeutendere und viel härtere Test ist allerdings die ADR (Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung), weil die Sorten dort über drei Jahre, an 11 Standorten komplett ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bewertet werden.
Ein erteiltes ADR-Prädikat ist kein Muss für die Einführung einer Neuheit, aber natürlich ein absolutes Plus – auch im Hinblick auf die Vermarktung einer neuen Sorte. Von den 15 finalen Kandidaten kommen also am Ende vielleicht nur 8 Rosensorten in den Handel, weil man vielleicht sagt, die anderen braucht die Welt nicht…
Dann ist die Ausbeute 2019; 5 -10 Sorten die um und bei 2029 in den Handel kommen. Und alle anderen sind dann schon wieder im Rosenhimmel. Und das jedes Jahr.
Auch muss sich eine jede neue Sorte heutzutage für die Anzucht und Vermarktung im Container eignen, weil das eben die überwiegende Angebotsform ist – bei aller Leidenschaft für Rosen, die wir bestimmt haben, ist sie für uns immer auch ein Produkt und muss als solches funktionieren. Was wir Züchtung nennen, heißt in anderen Branchen vielleicht „Produktentwicklung“ – aber das ist unsere Aufgabe, deren Erfolg am Ende auch für das Auskommen von über 100 Mitarbeitern und deren Familien sorgt…
Sie sind inzwischen fast 25 Jahre hier als Züchter bei Kordes Rosen, wie viele Rosenkinder haben sie den schon entlassen?
Thomas Proll: Das kann ich gar nicht so genau zählen. Pro Jahr annähernd 10 Sorten. Aber daneben auch etliche, die als Exklusivsorten gekommen sind. Zum Beispiel in anderen Ländern, in anderen Klimaten. Zum Beispiel haben wir mit LUDWIG’S ROSES auch einen Vertreter für Gartenrosen in Südafrika. Allerdings herrscht ein so dermaßen anderes Klima dort (sehr heiß + trocken und die Rosen blühen 10 Monate lang), dass nur wenige Sorten aus unserem deutschen Sortiment gut funktionieren. Trotzdem sind auch viele Züchtungen aus meiner Hand dort im Handel, nur eben andere Kandidaten aus diesem reichen Pool an Sorten, aus dem wir zum Glück schöpfen können…
Sind ihre Rosen rechtlich geschützt?
Thomas Proll: Ja, in vielen Fällen sogar doppelt – man muss nämlich beim Schutz Sorte und Handelsname unterscheiden. Namen sind oft als Warenzeichen geschützt – dann ersichtlich durch das ® am Namen. Dieses Zeichen kann man alle 10 Jahre wieder kaufen und dadurch mehrfach benutzen – auch für verschiedene Rosensorten.
Wenn Sie über Rosensorten stolpern die eine Jahreszahl hinter dem Namen haben, dann ist es genau der Grund. Es gibt ja die Eden Rose 85. Wir haben die Flirt 2011. Das liegt daran das der Name Flirt früher schon einmal verwendet worden ist. Und die Sorte ist dann irgendwann mal weggebrochen. Und dann ist der Name aber so gut und wir bezahlen ja auch für den Namen. Ja, dann nehmen wir ihn wieder. Damit der Handel nicht durcheinander kommt, bekommt die Rose diese Jahreszahl. Aber die Rose selbst als Sorte, wird beim Bundessortenamt geschützt. Wenn die Rose für zwei Jahre getestet und begutachtet wird, bekommt sie das Prädikat „für 25 Jahre urheberrechtlich geschützt“. Dann ist aber Schluss nach 25 Jahren. Dann kann sie auch unter anderen Namen verkauft werden. Wenn sie mit dem R geschützt ist, dann nicht.
Wir stehen hier in einem offenen Gewächshaus, aus dem man den Himmel sieht. Was hat das für eine Bedeutung?
Thomas Proll: Das ist was ganz Besonderes. Das nennt man Cabriolet – Gewächshaus. Das Dach öffnet sich an einem sonnigen Tag. Da führt dazu, dass die Rose kompakter wächst und die Blätter werden ans UV-Licht gewöhnt. Nachts schließt die Lüftung wieder. Die Wurzel der Rose bleibt so warm und entwickelt sich besser.
Die Bedingungen hier, führen auch dazu, dass die Rose in ihrer Blüte früher ist. Wie man hier sieht, wird sie über eine Anstaubewässerung versorgt. Das Wasser kommt von unten, das Laub wird dadurch nie nass und so gibt es deutlich weniger Problem mit Blattkrankheiten.
Hier sieht man das sie immer schön Wasser von unten bekommen haben. Das Wurzel System ist schön von unten aufgebaut.
Für wen sind diese Töpfe hier gedacht?
Thomas Proll: Hier sieht man Rosen in 2 Liter Töpfen. Das ist Trend. Dieses Produkt hat die wurzelnackte Rose abgelöst. Wir verkaufen immer noch wurzelnackte Rosen an Privatkunden. Aber ich will nicht die Hand ins Feuer legen, dass es in 5 Jahren noch so ist. Die wurzelnackte Rose geht als Produkt verloren, weil die Leute heut zu Tage nicht mehr wissen, wie sie damit umgehen sollen. Das Wissen ist verloren gegangen.
Wir hatten den 2 Liter Topf ursprünglich nur als Frühjahrsprodukt für den Großhandel gedacht. Dann aber auch angefangen, die Töpfe Privatkunden anzubieten. Inzwischen steht das komplette Sortiment des Kataloges in den Töpfen und wird ständig immer wieder nachgetopft.
Wurzelnackt verschwindet. Schade!
Das ist natürlich die günstigste Form, wenn man Rosen kaufen will. Das, was man hier sieht, muss man sich selbstverständlich bezahlen lassen. Eigentlich zwingt uns dieser Trend dazu. Wir verbrauchen Torfressourcen und machen Plastikmüll.
Gibt es Alternativen in der Auswahl des Substrates und der Verpackung?
Thomas Proll: Vom Substrat her nicht wirklich. Wir haben da schon experimentiert mit Holz Zusatzstoffen usw. Darin wächst die Rose nicht so richtig gut.
Und die Verwendung von Töpfen, ja da probieren wir ständig Neues aus.
Bio-Töpfe, ja! Sicher lässt sich das auf diesem Weg kultivieren aber es vergammelt und das sieht dann unschön aus. Und manche Kunden würden so einen vergammelten Topf nicht anfassen und geschweige kaufen.
Und ein Recyclingsystem für die Töpfe, zu utopisch?
Thomas Proll: Ja, könnte man… aber es ist immer heile Welt gewünscht und soll dann nichts kosten. Das geht eben nicht.
Wir haben mal so genannte NatuRosa-Rosen angebaut – quasi Bio-Rosen ganz ohne Pflanzenschutzmittel produziert. Mit den neuen, widerstandsfähigen Züchtungen geht das ganz problemlos – nur sollten die dann 1 Euro mehr kosten. Das hat nicht funktioniert. Es wurde nur von wenigen Kunden gekauft – zu viele Leute verstehen einfach nicht, das umweltschonende, ökologische Produktion nun mal ihren Preis hat.
Was sind das für spannende Kletterrosen mit doldenförmigen kleinen Blüten und einen betörenden Duft hier in der Gewächshausecke?
Thomas Proll mit leuchtenden Augen: Ja, das ist mein Steckenpferd, weil sie mich ja nach Lieblingsrosen gefragt hatten.
Das ist inzwischen über 10 -13 Jahren her, da habe ich angefangen auf öfterblühende Rambler zu züchten. Jetzt sind die ersten davon auf den Markt gekommen. Das ist die SILUETTA Serie. Sie heißt so, weil die Sorten freistehend eine schöne Siluette bilden.
Alles blüht an dieser Pflanze auch die Basistriebe, die aus dem Boden kommen machen Blüten. Das ist wirklich sensationell.
Und die alten die klassischen wie Bobbie James oder Veilchenblau blühen alle nur einmal und sind wachsen monströs. Sie sind nichts für kleine Gärten. Das Öfterblühen reinzubekommen macht Rosen wie diese besonders.
Das Öfterblühen ist ja ein Unfall der Natur.
Die historischen Rosen oder Wildrosen blühen ja nur einmal im Jahr und das Öfterblühen ist vor mehreren Hundert Jahren mal als Mutation in China entstanden. Diese Eigenschaften sind nach inzwischen vielen Genrationen Züchtung in den meisten modernen Rosen ganz tief verankert.
Und bei den Ramblern war es noch nicht so weit. Da hatte man noch wenig Typen. Und deshalb ist diese Serie was Neues. Besonders ‘Romantic SILUETTA‘ duftet auch sehr schön. Dadurch, dass sie öfter blüht, steckt sie ihre Kraft mehr in die Blüten und wächst nicht mehr ganz so monströs.
Das sind jetzt keine Sorten die 6-8 m machen, wie die Bobbie James, sondern eher 2-3 m. Für kleinere Gärten sind sie super geeignet. Hier haben wir sie mit einem Spalier und sie blühen schon im Topf, was für die Gartencenter wichtig ist. Das sind hier die ersten vier Sorten und ich habe noch etliche in der Pipeline, die in den nächsten Jahren kommen.
Sie sind übrigens sehr gesund in unserer Testung, haben aber noch kein ADR Prädikat (stehen aber alle in der laufenden Prüfung). Es gibt zum Beispiel von der einen Sorte hier eine Schwester, die nicht öfter blühend ist. Das muss man ja erst mal rausfinden und deshalb braucht man die vielen Jahre.
Foto unten: Die zarte Kletterrose heißt Lavender Siluetta und blüht öfter im Jahr. Sie wird nicht so riesig und eignet sich für kleine Gärten.
Eine Geschichte am Rande…
Ich bin in der Züchtung die rechte Hand von Alexander Kordes Vater gewesen, Wilhelm Kordes (1953-2016), also aus einer Generation vorher.
Für ihn habe ich viele Jahre als Züchter gearbeitet. Und wir waren häufig zur Selektion der Rosen gemeinsam auf dem Feld. Und diese Rose (‘Roseromantic‘), die wir hier sehen, stand damals vor mehr als 10 Jahren auf der Schwelle zur Markteinführung und die Frage war: Sollen wir sie bringen oder nicht…?
Ich weiß noch ganz genau, es war Samstagnachmittag und wir waren auf dem Feld. Das war übrigens alles noch vor Bienchenzeit.. ne?! Bevor dieser Hype der „Insektenfreundlichkeit“ kam, der natürlich sehr viel Positives mit sich bringt.
Und dann standen wir also vor dieser Rose und dann sagte Wilhelm;
Mensch ganz tolles Ding, ist ja ganz hübsch aber der Verkauf jagt uns vom Acker, wenn wir wieder mit so einer offenen Blüte ankommen.
Denn zu dieser Zeit waren vor allem die gefüllt opulenten Sorten, im Stile Englischer Rosen gefragt. Und dann sagte er; ja bei aller Liebe, aber ich glaube diese Rose braucht die Welt nicht.
Dann einen Augenblick später kam seine Frau Ute Kordes und bringt und Kaffee und Kuchen und hat ihre Kamera mit und wir stehen da so noch mit unserem Käffchen und plötzlich hören wir einen Aufschrei des Entzückens.
Und sie rief Wilhelm, Wilhelm was ist denn das?
Das ist ja die schönste Rose die ich je gesehen habe. Die bringen wir doch oder?
Und er dann; ja, ja das habe ich auch gerade gesagt.
Und heute steht sie hier vor uns im Topf.
Ich habe das der Ute Kordes später mal erzählt. Sie konnte sich dann nicht mehr daran erinnern und war, als sie das hörte, den Tränen nah. Denn sie wusste gar nicht, dass sie in dem Moment diese Rose gerettet hatte.
Heute wäre das gar keine Frage. Das ist eine tolle Rose sie ist kerngesund und eine wahre Blühmaschine.
Sie kommt ganz von allein immer wieder durch, wenig schneiden, also was für faule Leute. Aber die Farbkombi ist der Hammer. Überall wo sie UV-Licht kriegt bekommt sie dieses Lachsrot. So jetzt ist sie zu, dann sind die Knospen rot. Dann geht sie auf und hat dieses Cremefarbende. Das ist eine Kombi die nie weh tut. Das macht die Rose mit dem schönen Namen ‘Roseromantic‘ spannend.
Danke Herr Proll für die spannenden Einblicke und Geschichten. Für mich war der Besuch eine kleine Offenbarung. Rosen sind pflegeleicht, robust, inzwischen weitestgehend gesund und wunderschön. Insbesondere die einfach blühenden Sorten sind für Insekten wertvoll und auch sind Rosen in trockener werdenden Sommern hervorragende Partner.
Dank der Züchtungsarbeit von begeisterten Menschen wie Herrn Proll, haben wir heute tolle gesunde Sorten.
Ich habe mir übrigens die prämierte Sorte Crimson Siluetta von meinem Besuch in der Rosenbaumschule KORDES mitgebracht. Die werde ich jetzt mal pflanzen.
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Bis zum nächsten mal wünsche ich dir eine rosige Zeit!
Bleib natürlich
Petra
❤️