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EIN GARTEN FÜR SCHMETTERLINGE

Staude mit Schmetterlingen

Ein Gastbeitrag von Dr. Dieter Bock



Ein summender Garten - wer wünscht sich das nicht? Aber wie schaffen wir es, unseren Garten so zu gestalten, dass er für beide – Pflanzen und Insekten – ein Paradies wird?



Dr. Dieter Bock


Dr. Bock, promovierter Biologe und langjährig im Landratsamt Schwäbisch Hall in der Abfallwirtschaft sowie an der Universität Ulm tätig, widmet sich heute ganz seiner Leidenschaft für Natur und Garten.







Mit seiner tiefen Liebe zur Flora und Fauna hat Dr. Bock viele Jahre lang Europa bereist, um die Vielfalt der Natur und ihre Einflüsse auf die Gartengestaltung zu erforschen. Sein umfassendes Fachwissen fließt nun in die Gestaltung seines eigenen Gartens ein, wo er die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umsetzt.


Dr. Bocks Ansatz, Pflanzen und Tiere harmonisch miteinander zu verbinden, verleiht seinem Garten einen unverwechselbaren Charme und eine lebendige Dynamik. Jede Jahreszeit offenbart hier ihre ganz eigene Magie und macht den Garten immer wieder neu erlebbar. Es ist ein Ort, an dem Natur und Gestaltung miteinander verschmelzen und im Einklang wirken...




Wie kommt man auf die Idee, seinen Garten so zu gestalten, dass dort neben den Pflanzen auch Schmetterlinge, Bienen und viele weitere Insekten einen Lebensraum finden?


 

Bunt blühende Wiesen, die voller Leben sind, haben mich schon immer begeistert, und ich wollte versuchen, die damit verbundenen Gefühle auf den Garten zu übertragen. Mir war auch bewusst, dass aus Sicht der Natur Pflanzen und Insekten untrennbar zusammengehören. Blütenpflanzen und ihre Bestäuber gibt es schon seit mindestens 140 Millionen Jahren – viel länger, als Menschen auf der Erde sind. In dieser langen Zeit haben sie sich auf faszinierende Weise aneinander angepasst. Das wollte ich gerne auch vor der Haustür erleben.



Garten am Wohnhaus


Unser Garten liegt in Baden-Württemberg an einem sonnigen Muschelkalkhang. Dieser war ursprünglich von einer wild wuchernden Vegetation bedeckt. Um ihn davon zu befreien, deckte ich ihn etwa ein Jahr lang mit einer schwarzen Agrarfolie ab. Danach war der Boden frei und musste nur noch einige Male von aufkeimenden Samenunkräutern befreit werden.


Nun hatte ich eine freie Fläche, die geradezu zum Bepflanzen einlud, und in der Phantasie entstanden bereits die abenteuerlichsten Kombinationen. Aber der Hang war lehmig und steinig, im Sommer heiß und trocken – da wachsen längst nicht alle Pflanzen, und es war klug, sich bei der Auswahl an der Natur zu orientieren.

 

In Baden-Württemberg wachsen an solchen Stellen gerne Kalkmagerrasen. Sie beherbergen eine ausgesprochen attraktive Flora: im Frühjahr Kuhschellen, später Orchideen, Diptam und viele weitere Pflanzen, die den Vergleich mit gängigen Gartenpflanzen nicht scheuen müssen. Inzwischen gibt es solche Orte fast nur noch in Naturschutzgebieten, und an Wochenenden sind sie das Ziel vieler Ausflügler. Es reizte mich, so etwas im Garten zu haben und zu allen Jahreszeiten zu erleben.



Im Mai blühen Traubige Graslilien in der Gartenwiese

Die passenden Pflanzen zog ich selber in Töpfen aus Samen heran, um sie anschließend am Hang auszupflanzen. Dort vermehrten sie sich weiter, wuchsen aufeinander zu und bildeten schließlich eine bunte Wiese, die nun schon seit vielen Jahren besteht.


Der Anblick verändert sich langsam im Laufe der Zeit, aber der Pflanzenbestand bleibt insgesamt stabil. Die einzelnen Arten verdrängen sich nicht gegenseitig, sondern kommen miteinander aus, weil sie aus demselben Lebensraum - dem Kalkmagerrasen – stammen.


Diese Pflanzengemeinschaft bleibt aber nur erhalten, weil sie gepflegt wird: von Zeit zu Zeit müssen unerwünschte Kräuter und Sämlinge von Bäumen entfernt werden, die konkurrenzstärker sind und die Fläche überwachsen würden.



Sommeraspekt mit Färberkamille und Großer Strahlendolde

Dieser, der Natur nachempfundene, Garten soll nicht nur für die tierischen Bewohner, sondern auch für die Betrachter attraktiv sein. Da fast nur Wildstauden verwendet wurden, überwiegen die filigranen Strukturen von Blüten, Blättern und Samenständen, die bei genauem Hinschauen eine ungeheure Vielfalt an Formen und Farben aufweisen. Blütenwolken wechseln sich ab mit Blütenkerzen oder den Blütentellern der Doldenblütler.


Wildstauden werden oft kritisch gesehen, weil ihre Blühdauer im Vergleich zu gezüchteten Sorten nur kurz ist. Die Antwort auf diesen vermeintlichen Nachteil ist die Ansiedlung einer großen Zahl verschiedener Pflanzenarten, die sich in ihren Blühzeiten ergänzen. Auf diese Weise folgen ganz unterschiedliche Blühaspekte in kurzer Zeit aufeinander. Dieselbe Fläche wechselt jeden Monat ihr Aussehen, sie bleibt dadurch immer abwechslungsreich und überraschend. Die verschiedenen Jahreszeiten werden dabei gut sichtbar.





Fotos oben: Dieselbe Fläche über das Jahr hinweg betrachtet




Was macht den Garten für Schmetterlinge und andere Insekten attraktiv?


Da ist zuerst die große Artenvielfalt an Pflanzen zu nennen. Viele Insekten sind auf einzelne Pflanzenfamilien oder -gattungen spezialisiert, daher bedeutet Pflanzenvielfalt auch Insektenvielfalt. Besonders geeignet sind hierzu heimische Pflanzenarten, an die unsere Insekten angepasst sind, aber auch viele Pflanzen aus dem mediterranen Bereich oder den osteuropäischen Steppen können von ihnen genutzt werden. Die Auswahl ist so groß, dass kein Garten ausreicht, um alle Pflanzideen zu verwirklichen.

 

Für die Insekten im Garten ist wichtig, dass sie nicht nur geeignete Nahrung auf Blüten finden, sondern dass sie dort ihren ganzen Lebenszyklus durchlaufen können.


Das bedeutet zum Beispiel für die Schmetterlinge, dass ihnen auch die Futterpflanzen ihrer Raupen zur Verfügung stehen. So habe ich dafür gesorgt, dass auf der Wiese Wilde Möhren für den Schwalbenschwanz, Veilchen für verschiedene Perlmuttfalter und geeignete heimische Gräser für Schachbrettfalter, Ochsenauge u.a. wachsen. Diese Falter halten sich tatsächlich gerne im Garten auf und man kann dort auch ihre Raupen finden. 




Fotos oben: Wilde Möhre und Schwalbenschwanz (Ei Raupe und Falter)



Manche Insekten brauchen offene, von der Sonne beschienene Bodenflächen, um sich fortzupflanzen. Eine solche Situation hat sich hier auf einem mit Erde aufgefüllten Steinriegel an der Gartengrenze ergeben.


Der offene Boden ist von Gängen durchlöchert, weil dort eine Wildbienenart (die Gelbrandige Furchenbiene) eine Brutkolonie etabliert hat. Die Bepflanzung mit kleinbleibenden Steingartenstauden wie Helianthemum canum nimmt darauf Rücksicht, so dass der Boden dauerhaft offenbleibt.





Fotos oben: Steinriegel mit Kolonie der Gelbrandigen Furchenbiene



Viele Insekten haben spezielle Bedürfnisse. Wollbienen sammeln zum Beispiel Pflanzenwolle, um damit ihre Brutkammern auszukleiden. Das Polstermaterial finden sie in unserem Garten an Wollziest, Königskerzen oder an der Kronen-Lichtnelke, die gleichzeitig auch schöne Gartenpflanzen sind.




Fotos oben: Eine Wollbiene sammelt Pflanzenwolle an der Kronen-Lichtnelke und bringt sie zu ihrer Brutstätte



Einige Insekten pflanzen sich fort, indem sie ihre Eier in die Stängel oder andere Teile von Pflanzen legen. Dazu zählt zum Beispiel die Sichelschrecke, die auf unserer Wiese lebt und sich wie eine Seiltänzerin durch die Krautschicht bewegt. Die Weibchen haben einen speziellen Legeapparat, mit dem sie ihre Eier in den Blättern ihrer Futterpflanzen platzieren.


Ein Mähen der Wiese würde diesen Tieren schaden. Daher werden im Herbst die abgestorbenen Pflanzenteile stehen gelassen und erst im Frühjahr entfernt, wenn es wieder warm genug ist und die Larven aus den Eiern schlüpfen können. Die Wiese behält dadurch auch im Winter ihre Struktur, die besonders bei Raureif gut zur Geltung kommt.




Fotos oben: Die Eier der Sichelschrecke überdauern den Winter in der Krautschicht



Blumen und Insekten als Attraktion im Garten


Die Insekten, die durch unsere Gartenplanung bewusst gefördert werden und unsere Gartenwiese beleben, erhöhen für den Betrachter die Attraktivität der gesamten Anlage. Die umherfliegenden Schmetterlinge unterstreichen die luftige und filigrane Wirkung der Wiesenblumen. Wenn die Falter sich niederlassen, sind ihre bunt gemusterten Flügel ein Hingucker.


Auch die metallisch schimmernden Rosenkäfer, die sich gerne auf Päonienblüten setzen, oder Bockkäfer mit lang geschwungenen Fühlern, die Doldenblüten bevorzugen, sind ein prächtiger Anblick. Eine besonders schöne Farbkomposition ergibt sich, wenn eine Blauschwarze Holzbiene die gelben Blüten der Junkerlilie zum Nektarsammeln besucht.


Sowohl die Biene als auch die Pflanze sind Gäste aus dem Mittelmeerraum, die inzwischen wegen der Klimaerwärmung auch in unserem Garten heimisch sind. Ausgesprochen bunte Insekten sind die Bienenkäfer und die Goldwespen. Als erwachsene Tiere besuchen sie Blüten, aber ihre Larven sind Brutschmarotzer in den Nestern von Wespen- und Bienenarten. Die lange Evolutionsgeschichte hat dafür gesorgt, dass diese Parasiten mit ihren Wirten in einem Gleichgewicht stehen und alle miteinander auskommen.



Rosenkäfer auf Paeonia


Bunte Goldwespe auf Wilder Möhre

Veränderliches Rotwidderchen auf Telekia

Blauschwarze Holzbiene auf Junkerlilie

Moschusbock auf Wilder Möhre

Gemeiner Bienenkäfer auf Rauem Alant


Musikanten im Garten


Manche Insekten machen sich auch akustisch bemerkbar. Von Mai bis Juni lassen in unserem Garten die Feldgrillen Tag und Nacht ihren Gesang hören.


Diese Tiere sind recht anspruchsvoll in Bezug auf ihren Lebensraum. Sie waren aber von Anfang an da und konnten durch die Gartenplanung als Kalkmagerrasen dazu veranlasst werden, weiterhin zu bleiben. Im Sommer ist das Zirpen der Feldheuschrecken zu hören. Sie ernähren sich von heimischen Gräsern, die eine Voraussetzung dafür sind, dass sie auch im Garten leben können.


Ebenfalls im Sommer ertönt von Büschen und Bäumen der Gesang der Grünen Heupferde. Ihre Tonlage ist allerdings sehr hoch und kann nicht von allen Leuten wahrgenommen werden. Seit einigen Jahren ist noch ein weiterer Gesang hinzugekommen. Wegen der Klimaerwärmung haben sich bei uns Weinhähnchen ausgebreitet und in unserem Garten einen passenden Lebensraum gefunden. Sie gehören zu den Blütengrillen. Diese zierlichen Insekten können erstaunlich laut zirpen. Mit ihrem unüberhörbaren Gesang erzeugen sie in warmen Sommernächten ein südliches Flair in unserem Garten.




Fotos oben: Feldgrille (Larve), Weinhähnchen, Grünes Heupferd und Rote Keulenschrecke



Unsere Gartenanlage bildet für die angesiedelten Pflanzen und die mit ihnen verbundenen Insekten einen gemeinsamen Lebensraum, der auch vom Betrachter als eine Einheit wahrgenommen wird.


Um von der Straße zu unserem Haus zu gelangen, geht man auf einer Treppe mitten durch diese gestaltete Wiese den Hang hinunter und nimmt dabei die Umgebung mit verschiedenen Sinnen wahr: man sieht nicht nur die bunten Blüten, zwischen denen Insekten schweben, sondern riecht auch den Duft aromatischer Pflanzen und hört manche Lautäußerung der tierischen Bewohner. Das führt zu einem intensiven Gartenerlebnis.



Insektenfreundlicher Garten


Ein herzliches Dankeschön an Dr. Bock für diesen inspirierenden Blogartikel, der voller Wissen und praxisnaher Ideen steckt, um unseren Gärten noch mehr Leben einzuhauchen – besonders für die kleinen, aber so wichtigen Bewohner: die Insekten.


Ob es um geeignete Pflanzen, natürliche Strukturen oder den richtigen Boden geht – Dr. Bock zeigt auf, wie wir mit einfachen Mitteln ein Lebensraum schaffen können, das für Bienen, Schmetterlinge und viele andere Arten wertvoll ist. Denn jedes noch so kleine Stückchen Natur, das wir fördern, trägt zum großen Ganzen bei und fördert die Biodiversität.


Wir hoffen, dass auch ihr aus diesem Beitrag viele Inspirationen für euren Garten zieht und damit den Weg zu einem Garten einschlagt, der nicht nur summt und brummt, sondern auch voller Leben und Vielfalt steckt.



Bleib natürlich

Petra und Leonie


1 comentário


DreamingTree
14 de nov.

Ein ganz wunderbarer Beitrag mit tollen Bildern. Es war sehr interessant, mal eine Kalkmager-Landschaft zu sehen und zu hören, was Diversität dort konkret bedeutet.

Ich selbst habe norddeutsches Marschland als Gartengrundlage, ein völlig anderes Terrain. Hier gedeihen Minze, Mädesüß und Blutweiderich ganz besonders gut (u. v. andere).

Danke für den schönen Artikel!

Curtir
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