Diese Bilder bewegen.
Im ersten Moment denkst Du vielleicht; WOW, was für tolle Farben und abstrakte Muster voller Schönheit!
Im zweiten Moment wird dir klar:
Das ist unsere Erde, unsere Natur, die da vergiftet und ausgeraubt wird!
Vielleicht fragst Du dich aber jetzt; was hat das mit dem Gartenthema zu tun?
Lass es mich kurz erklären; In meiner Arbeit mit Pflanzen suche ich immer das Besondere eines Ortes. Ich suche Themen, die passen. Mit pflanzlichen Mitteln versuche ich mich dann auszudrücken. Beispielsweise mit Farben, Formen oder dem Charakter von Pflanzen.
Für die IGA (Internationale Gartenschau) 2017 in Berlin war das genauso. Ich wurde beauftragt, mehrere Tausend Quadratmeter Wechselflor (Frühjahrs- und Sommerblumen) entlang des Rundweges in den Gärten der Welt zu planen.
Meine Idee hier, war eine Reise um die Welt. Ich wollte den Betrachter mitnehmen auf diese Reise. Ich hatte die Aufnahmen "Die Erde von Oben" vor Augen und war beseelt von der Idee. Diese eindrucksvollen Fotos aus aller Welt von oben, sollten eine kleine Fotoausstellung auf Tafeln an den Beeten sein. Ich wollte die Farben pflanzen (was mit Sommerblumen gut geht). So hätte es irgendwie einen tollen Synergieeffekt gegeben. Gepflanzte Geschichten. Die Idee schlug zunächst ein...
Ich brauchte selbstverständlich den Fotografen von Yann Arthus-Bertrand ("Die Erde von oben"). Doch er antwortete uns erst gar nicht. (vielleicht fand er die Idee doof) So konnten wir die Fotos nicht ausstellen. Zu früh gefreut.
Aber ich gab nicht gleich nicht auf . So lernte ich den New Yorker Fotograf Henry Fair kennen. In einem Kölner Cafe saßen wir nun stundenlang, tranken einen Kaffee nach dem anderen und tüftelten an dem farblichen und inhaltlichen Konzept. Die Auswahl der Bilder war phantastisch. Ich war überglücklich, eine so wichtige Geschichte erzählen zu können.
Aber wieder ... "Pustekuchen"! In der IGA Berlin GmbH gab es hierzu keine Bereitschaft. Zu traurig für eine Gartenschau, hieß es! Unsere Idee vom "Misstraut dem Paradies" wurde verworfen. Das war es dann mit der Fotoidee... und am Ende wurde es ein anderes Konzept. (Pflanzen aus aller Welt)
Im Herbst 2019 sah ich Henry Fair in Berlin wieder. Er stellte im Naturkundemuseum im Rahmen der "Nacht der Museen" seine übergroßen Fotos aus. Und immer noch lief mir beim Betrachten der überdimensionalen Bilder ein Schauer über den Rücken und gleichzeitig faszinierten sie mich.
Ich fragte Henry um diesen Beitrag, weil ich diese aufregende Arbeit und die Geschichte einer gefährlichen und spannenden Entstehung unbedingt erzählen möchte. Hier berichtet er über seine Arbeit...
Über Henry J. Fair: Der amerikanische Photograph J. Henry Fair kommt ursprünglich aus Charleston, South Carolina, pendelt zwischen seinen Ateliers in New York und Berlin und arbeitet gegenwärtig an Photozyklen wie Portraits und großformatigen, technisch brillianten Landschaftsaufnahmen.
Seine Serie “Industrial Scars" geht den schmalen Grat zwischen Abstraktion und Repräsentation. Sie ist spürbar beeinflusst von der Photographie der Bauhaus-Schule und tritt den Beweis dafür an, dass Photographie mindestens ebenso überzeugende abstrakte Bilder erzeugen kann wie die Malerei. Und dies ist nicht die einzige widersprüchliche Erkenntnis in Fair's Arbeit: Bei näherer Betrachtung folgt die Einsicht, dass auch im Grunde unerfreuliche Motive von ästhetischer Schönheit sein können. Der Künstler spielt damit auf die in der modernen Welt weit verbreiteten existenziellen Widersprüchlichkeiten an.
Roberta Smith, Chef-Kunstkritikerin der New York Times schrieb: "Die lebendigen Farbphotographien von J Henry Fair führen ein spannungsvolles Doppelleben, in dem sich Kunst und Information zu einem dramatischen Effekt vereinen. Rein optisch sehen wir jedoch ein Überquellen prachtvoller Farben, die uns an die Malstrategien der Abstrakten Expressionisten wie Barnett Newman, Clifford Still und vieler Anderer aus dieser Richtung erinnern."
Über Henry Fair's Arbeit wurde im Fernsehen berichtet von der Today-Show, CNN, dem WDR und in den Printmedien von der New York Times, National Geographic, New York Magazine, Die Zeit, Le Figaro, Harper's, Smithsonian und Scientific American. Seine Bilder werden weltweit in bedeutenden Museen, Galerien und Bildungsinstituten ausgestellt.
Zum Titelbild: In Darrow, USA sammelt sich roter Schlamm, ein Abfallprodukt der Bauxitgewinnung. 2010 sorgte ein Erdrutsch diesen Schlamms im Süden von Budapest für eine beispiellose Umweltkatastrophe in der Region (Bild: J Henry Fair)
Das Fotografieren von Umweltkatastrophen ist eine gefährliche Arbeit
Meine Arbeit handelt von dem Konflikt zwischen unserer Abhängigkeit von der Natur für das Leben, und dem Schaden, den wir ihr durch unsere Wunsch nach Materialismus antun. Nachdem ich während einem Landeanflug im Nebel auf ein Kohlekraftwerk gesehen hatte, fiel mir auf, dass die Luftperspektive Zugang zu dem hat, was üblicherweise hinter Zäunen versteckt ist. Es erlaubte eine einzigartige Perspektive, die von fern und von Natur aus fasziniert. Das Gebiet des Mississippi River, bekannt als "Cancer Alley", schien der logische Ausgangspunkt zu sein. Also ging ich nach New Orleans und charterte ein kleines Flugzeug und einen Pilot. Die daraus resultierenden Bilder waren faszinierend, forderten aber die Hintergrundgeschichte. Sie waren zum Eintauchen in die Zusammenarbeit mit Umweltgruppen und eine aktivere Rolle als verantwortungsbewusster Künstler unabdingbar.
Foto oben: Herbizid-Produktionsanlage, Louisiana, USA (Foto: Henry J. Fair)
Die Reichweite des Projekts wuchs, als ich meine Arbeit von der lediglichen Betrachtung bestimmter Bereiche zu zielgerichteten Branchen und ihren Produktionsprozessen ausweitete. Anfangs war das einzige Ziel, die besten Bilder zu bekommen. Dann ging ich es an Einfluss zu nehmen, indem ich die Aufmerksamkeit auf Missstände lenkte, um so die Gesetzgebung zu beeinflussen. Hierzu wählte ich die dringesten Projekte aus. Es gab Situationen, die das eklatanteste Fehlverhalten zum Gegenstand hatte. Die entsprechenden Bilder fanden ihren Weg zu den verschiedenen Verantwortlichen, gerieten also in falsche Hände. Öfters spielte man dort die Situationen runter oder vertuschte das Fehlverhalten.
Foto oben: Ölgewinnung aus Teersanden in Fort Murray, Kanada.
In diesem Tank liegen 400.000 bis 500.000 Barrell des schmutzigsten Öls der Welt. (Foto: Henry J. Fair)
Als die USA nach den Bombenanschlägen auf das World Trade Center in eine schwere Paranoia geriet, wurde meine Arbeit extrem schwieriger. Mehrmals war das FBI auf der Suche nach mir. Einmal tauchten sie am frühen Morgen im Hotel auf und befragten mich, nachdem ein Pilot berichtet hatte, dass ein verdächtiger "arabisch aussehender Mann" Industriestandorte fotografierte. Das zweite Mal, als ein besonders windiger Tag es notwendig machte, ein paar Mal zu viel um eine der giftigsten und explosivsten Raffinerien des Landes zu kreisen, um den besten fotografischen Schuss zu bekommen, meldete Jemand in der Raffinerie die Hecknummer des Flugzeugs dem FBI. Der spürte mich auf fragte mich telefonisch, was ich dort zu tun habe. Um mich zu schützen, gab ich einen gefälschten Namen an und bezahlte meine Rechnung bei der Flugzeugvermietung bar, um nicht weiter beobachtet und verfolgt zu werden.
Foto oben: das Aufstauen von Abfällen in der Kupfermine Rio Tinto, Spanien (Fotos: Henry J. Fair)
Was mich an dieser Arbeit interessiert und fasziniert, ist im wesentlichen Ironie und die Hoffnung. Der normal denkende Mensch, der in der modernen Welt lebt, versteht, dass wir alle bezogen auf die Umwelt exzessiv leben. Die bevorstehenden Folgen für unseren teils luxiriösen Lebensstil sind real und bedeutsam. Dies ist eine der wesentlichen Ironien der modernen Welt. Aber in der Tat, mit ein wenig Aufwand und Glück haben wir es in der Hand. Wir könnten diese Zukunft ändern, um unser Schicksal in eine positive Richtung zu lenken.
Und so müssen wir hoffen, denn wir alle investieren, denn die Welt kennt keine Grenzen. Mein Ziel ist es, schöne Bilder zu produzieren, die eine Reaktion beim Betrachter hervorbringen, Sie sollen ästhätisch sein aber wachrütteln um eine Reaktion und ein Handeln hervorzubringen. Viele Überzeugungen und Dialoge sind notwendig. Die Menschen müssen informiert werden und Hintergrundinformationen erhalten, um auf den Dialog zu reagieren. Aber die Bilder müssen, so schrecklich der Huntergrund manchmal ist, schön sein. Ich möchte den Betrachter anhalten, sie zu betrachten und zu schätzen.
Foto oben: Lakeland, Florida, USA (Foto: Henry J.Fair)
Dieses Auslassrohr befindet sich am Boden eines riesigen „Gypstack“ -Phosphogips-Abfallauffangbeckens und erzeugt einen Strom, der schließlich den örtlichen Wasserspiegel erreicht. Das Gewicht dieser Gipsstapel ist enorm, und es gab Fälle, in denen der Boden unter den Stapeln einstürzte, wodurch enorme Mengen radioaktiver, saurer Abfälle Grundwasserleiter kontaminierten.
Foto oben: Sisyphus-Planierraupe, die Petrolkoks, Abfall von der Erdölraffination drückt
Texas City, Texas, USA (Foto: Henry J. Fair)
Eine Planierraupe sortiert einen Vorrat an Petrolkoks oder „Petrolkoks“, einem festen Nebenprodukt des Ölraffinierungsprozesses mit mehr als neunzig Prozent Kohlenstoff, das als Energiequelle und hochwertiger Industriekohlenstoff verwendet wird. Petrolkoks in Kraftstoffqualität mit hohem Kohlendioxid- und Schwefelgehalt wird zur Erzeugung von Energie für die Herstellung von Zement, Kalk und anderen industriellen Anwendungen sowie für KWK-Kraftwerke verbrannt.
Foto oben: Runaway Train-Machine Tracks in Bauxit-Abfällen
Burnside, Louisiana, USA (Foto: Henry J. Fair)
In Aluminiumoxidraffinerien wird der Bauxitabfall „Rotschlamm“ in riesige Lagerstätten gepumpt und absetzen gelassen. Die Aufstauungen der Abfälle müssen mit schwerem Gerät sortiert werden, um eine ordnungsgemäße Entwässerung für die Entwässerung zu gewährleisten. Nach dem Trocknen wird Staub vom Wind aufgeweht, der Verunreinigungen trägt und alles in der Nähe bedeckt.
Foto oben: Bauxitabfälle aus der Aluminiumherstellung Burnside
Louisiana, USA (Foto: Henry J. Fair)
Rückstände aus einer Aluminiumoxidraffinerie bündeln, trocknen und knacken. Der rote Abfall ist Eisenoxid; Der weiße Abfall besteht aus Aluminiumoxid und Natriumbicarbonat. Bei der Aluminiumraffination fallen enorme Mengen an ätzendem (pH 13) Bauxit-Rotschlammabfall an, der auch andere Verunreinigungen und Schwermetalle erzeugt.
Du willst mehr sehen? Weitere Informationen findest Du hier:
Dank an Henry für seine Bereitschaft seine Arbeit mit uns zu teilen. Sicher hat jeder seine eigenen Gedanken hierzu. Bei mir machen sich auf alle Fälle Wut aber auch Hilflosigkeit breit. Und Ängste... ob man diesen Wahnsinn überhaupt stoppen kann.
Wie geht es euch dabei?
Ich wünsch euch was und bleibt natürlich
Petra
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