Ein Gastbeitrag von Martin und Angelika Traub
Hinter jedem besonderen Garten stecken außergewöhnliche Gärtner. Je besessener und verrückter ihre Ideen, umso spektakulärer wird ihr Pflanzenreich. Und sie sind glückliche Menschen. Das sieht man ihnen an.
Auch ich konnte in die die begeisterten strahlenden Augen von Martin und Angelika Traub sehen, als sie mir ihren beeindruckenden Garten zeigten und von den Anfängen ihrer Leidenschaft im Vorsolling erzählten.
Angst, dass ihnen der Garten irgendwann mal über den Kopf wächst haben sie nicht. Andere haben Ruhstandspläne - die Traubs haben Visionen. Und sie träumen weiter, von pflanzlichen Ideen auf benachbarten Flächen.
Ich freue mich über diesen Gastbeitrag und lade euch ein, zu diesem ganz besonderen Spaziergang durch diesen ganz besonderen Garten.
Die Leidenschaft für Pflanzen, Gärten und Gartenkultur ist für Angelika Traub auch beruflich ein Thema. Sie gibt ihr Wissen in Artikeln, Kolumnen, Vorträgen und als Fachtexterin weiter. Ehrenamtlich engagiert sie sich in der bundesweit organisierten Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur e.V.
Prof. Martin Traub ist im „normalen Leben“ Professor für Corporate Media an der Hochschule Hannover. Die Liebe zum Garten lebt und teilt er mit seiner Frau. In derart doppelter Gartenleidenschaft beflügeln sie sich gegenseitig und schaffen Beeindruckendes.
Die Erde ist ein Stern – wir leben im Himmel!
Hans-Jürgen von der Wense (1894-1966) in: Wanderjahre, Matthes & Seitz, Berlin 2006
Ist das nicht ein wunderbarer Satz? Und mit ihm verknüpft zu sein, eine schöne Entdeckung:
Hans-Jürgen von der Wense, Universalgelehrter, Musiker und rastloser Wanderer, schrieb ihn 1943 nieder. Wir lasen in seinem Buch und erkannten an präzisen Ortsdetails, dass ihn eine seiner Wanderungen ausgerechnet auf den uns gegenüberliegenden Höhenzug „Weper“ im niedersächsischen Vorsolling führte.
Der malerische Blick hinunter ins Tal und auf unser auch damals schon beschaulich in die Natur eingebettetes Haus hat ihn zu diesem Satz inspiriert!
Als wir im Jahr 1993, also genau 70 Jahre später, hierher kamen, hat auch uns diese besondere Landschaft vom ersten Augenblick an berührt.
Lustvoller Anfang
Ein freundliches, im Jahr 1921 erbautes Forsthaus, eine der Sanierung harrende Scheune und 5000 qm Grünland mit altem Baumbestand suchten neue Bewohner: Es gab also viel zu tun.
Hier einen Garten anlegen zu dürfen, was für eine schöne Herausforderung! Erst einmal wurde im Stauden-Rosen-Rausch munter drauflos gegärtnert. Ein Beet nach dem anderen entstand – die alten Bäume dienten als willkommenes Gerüst. Ein fröhlicher, impressionistischer, ja überbordender Anfang war das. Je mehr sich jedoch das Gelände zum Garten wandelte, zogen Struktur, Rhythmus und Musikalität ein - den Genius loci galt es zu erfassen, denn er ist das erste und wichtigste Element im Zwiegespräch mit jedem zu gestaltenden Raum. Schritt für Schritt ging es voran.
Von der Heuwiese zum Schwimmteich
2001 erlebte unsere struppige alte Heuwiese die im wahrsten Sinne des Wortes aufwühlend dramatische Verwandlung zum Schwimmteich. Wer Platz hat, darf großzügig planen:
Etwa 30 Meter lang und organisch geschwungen, fügt sich der Teich ins Gelände. Auf Technik verzichteten wir, dafür wurden viele Wasserpflanzen eingesetzt. Einem Zuviel an Nährstoffen wird so entgegengewirkt und das Wasser bleibt (fast immer) klar. Durch behutsam gesteuerten Bewuchs des Uferrandes und den Verzicht auf jegliche Dekoration hat sich nach einigen Jahren der Wunsch erfüllt, dem Teich eine möglichst naturhafte Ausstrahlung zu geben.
Vom Acker zum Landschaftsgarten
Bäume, Beete, Wasser – und immer noch warteten viele Ideen. Das Glück wollte es, dass wir 1,5 ha angrenzendes Ackerland erwerben konnten. Man darf uns mutig nennen, denn seit 2006 verwirklichen wir hier nach und nach unseren über viele Jahre gewachsenen Plan, einen Landschaftsgarten mit besonderen Gehölzen und Staudenpflanzungen zu schaffen. Schützende Wildgehölze umgeben das jetzt 2 ha große Areal, mit dem Zusatznutzen, Vögeln und Wildtieren hochwillkommenen neuen Lebensraum zu schenken. Im Frühjahr 2006 folgte der Bau der Wege - eine Entscheidung von elementarer Wichtigkeit, denn in der Gartenplanung ist der Wegebau eine grundlegende strukturbildende Setzung und Ausdruck maximaler Unverrückbarkeit im sich stetig wandelnden Ereignisraum eines Gartens oder Parks. Die Wege spannen den Blick. Große, ruhige Rasenfreiräume lenken die Wahrnehmung auf Beete und Landschaft.
Die kosmische Urform der Spirale greift die Gestaltung eines kleinen Platzes auf, wo sich die dynamisch-großzügige Reihe der Säuleneichen zu einem stillen Ort verdichtet.
Baumreihen, Baumgruppen, Baumpersönlichkeiten
Wir pflanzten 120 sorgfältig auf den Standort abgestimmte Bäume, darunter eine Säuleneichen-Reihung, ein Birkenwäldchen mit zierlichen weißstämmigen Himalaya-Birken, die ihren Tanz in einer zuvor modellierten Hügellandschaft aufführen und eine Lindenallee mit der kompakt und kegelförmig wachsenden Sorte „Rancho“, deren Kronen nun zusammengewachsen sind und so einen lauschig-schattigen Blätterdach-Gang bilden. Viele besondere, meist in Nordamerika beheimatete Solitärbäume wie der herrliche Tupelobaum (bot. Nyssa sylvatica) mit seiner tiefroten Herbstfärbung, Struktur schaffende Hecken sowie eine Sammlung mit in Deutschland weitgehend unbekannten Magnolien und seltenen verwandten Gehölzen kamen hinzu.
Struktur und Farbe: Die Staudenbeete
Nach und nach entstanden die großen Staudenpflanzungen. Einigen haben wir die Jahreszeiten zum Thema gegeben. Im Frühlingsbeet finden sich Azaleen und stattliche amerikanische Strauchpäonien in kräftigen Gelb- und Apricot-Tönen, unterpflanzt von zur selben Zeit komplementär blau blühenden Begleitstauden.
Der Sommer zeigt sich in purpurnem Gewand: Die dunklen Rottöne vieler duftender historischer Rosen werden durch die Wahl silberner und blaublühender Stauden sanft hervorgehoben. Das weithin leuchtende Herbstbeet mit seinen Großstauden und vielen Spätsommer- und Herbstblühern präsentiert sich als geschwungenes, gut 40 Meter langes Band auf einer großen Wiesenfläche. Rhythmisch geschwungene Beetsicheln mit etlichen besonders für Insekten wertvollen Stauden ergänzen ein großflächiges, nur einmal im Jahr gemähtes Magerrasenareal, das bis zum Herbst viele reizvolle Stadien durchlebt.
Die Erde im Himmel und der Himmel auf Erden?
Die Erweiterung unseres Grundstücks ist jetzt 13 Jahre her, und es gibt sie durchaus noch, diese sehr persönlichen Momente des dankbaren Inneseins im Garten, die Erfahrung tiefer Freude in gestalteter Natur, das Glück, die Vielfalt des Lebendigen gestalten und wahrnehmen zu dürfen. Ja wir leben im Himmel. Das ist die eine „Wahr-Nehmung“.
Aber es wird auch deutlich, dass diese „himmlische“ Einsicht eine weitere Botschaft in sich trägt, deren radikale Bedeutung der Garten schmerzlich spürbar macht. Bei der Pflanzung der Stauden und Gehölze orientierten wir uns seinerzeit am regionalen Klima: überdurchschnittlich feucht am Rande eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands gelegen, kalte aber schneereiche Winter und gemäßigte Sommertemperaturen. Die seither feststellbare Veränderung verdichtete sich in den letzten beiden Jahren und hat diese vermeintliche Planungskonstante in Frage gestellt. Auch in diesem Jahr haben die Niederschläge Ende August noch nicht einmal die Hälfte des langjährigen Mittels erreicht.
Der Mensch hat durch grenzenlose, lange unbedachte, heute gefährlich ignorante Naturausbeutung seinen Stern existentiell bedroht. Auch der Garten spiegelt uns nun unmissverständlich, dass ausschließlich wir Menschen verantwortlich dafür sind, ob „himmlisches“ Leben sich entfalten kann. So gesehen hat Gartenkultur eine neue Bedeutung. Sie kann uns noch aufmerksamer, widerständiger und vielleicht auch widerstandsfähiger machen.
Denn der Erlebnisraum Garten wirkt als Resonanzraum, der den Wert des Lebendigen tiefer erfahrbar macht und uns intensiv empfinden lässt, was endlich einziger Maßstab werden muss: Menschliche Entfaltung kann nur im respektvollen Dialog mit der Natur zu mehr Bewusstsein und Lebensglück führen.
Die Erde ist unser einziger Stern. Einzigartigkeit verpflichtet.
Martin und Angelika Traub
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